Im Theater Trier hatte Johann Strauß‘ Operette Premiere.
Im Theater Trier rockt Lajos Wenzel den Walzer und feiert eine turbulente Ausstattungsorgie. Mit der Inszenierung von Johann Strauß Operette „Die Fledermaus“ stellt sich der neue Co-Intendant des Hauses als Musiktheater-Chef und Opernregisseur vor. Die 1874 uraufgeführte ebenso champagnerselige wie meisterliche Gesellschaftssatire ((Libretto Karl Haffner und Richard Genée), in der Schein vor Sein geht und alle gleichermaßen Betrüger wie Betrogene sind, einschließlich des durchgeknallten Personals, ist nicht nur ein klassischer Silvester-Kracher. Die Geschichte vom rachsüchtigen Notar Falke, der seinem Freund Gabriel von Eisenstein heimzahlen will, dass er ihn bei einem Maskenball bloßgestellt hat, bei dem Falke als Fledermaus und Eisenstein als Schmetterling aufgetreten waren, ist eine der am häufigsten gespielten Operetten überhaupt. Für seine Trierer Inszenierung legt Wenzel eine eigene Dialogfassung des Meisterwerks vor. Seine Lesart hat Lokalkolorit. Nicht Wien sondern Trier ist bei ihm in Champagnerlaune. Aus der dekadenten Gesellschaft der Donaumetropole des 19.Jahrhunderts hat der Regisseur die Handlung in die „Roaring Twenties“ der Römerstadt an der Mosel verlegt. Dort ist Prinz Orlofsky Direktor eines dringend sanierungsbedürftigen Theaters (ein Zustand, der bekanntlich bis heute andauert). In diesem Amüsiertempel nimmt die Fledermaus Rache am Schmetterling. Wenzels Kombination aus Fiktion und Realsatire ist grundsätzlich eine pfiffige Idee. Für seine Inszenierung setzt der Regisseur auf Überwältigungsästhetik, Tanzperformance, musikalische Dauerbrenner von „Mein Herr Marquis“ bis „Klänge der Heimat“ und eben lokale Anbindung. Und natürlich auf Situationskomik, die allerdings meist ziemlich platt gerät. Judith Leikauf und Karl Fehringer haben ihm dazu eine imposante Bühne eingerichtet. Orlofskys Theater ist eine fantastische Mischung aus Berlin Babylon, Fantasy und Rummel. Auf der Drehbühne kreisen die Jugendstil-Villa der Eisensteins und das Gefängnis, in dem der Hausherr der Villa am nächsten Tag eine Strafe absitzen soll. Der Opulenz der Bühne steht Judith Peters Kostümbild nicht nach. Und da es sich bei Orlofkys Kulturhaus offensichtlich um ein öffentliches Theater handelt, und jeder gleich weiß, dass beim städtischen Amt Theater alles seine Ordnung haben muss, lässt Michael Hiller, der auch den Gerichtdiener Frosch spielt, erstmal kräftig den Amtsschimmel wiehern, bevor die Party beginnt. Wenn sich dann der Vorhang hebt und Falk als Fledermaus verkleidet über der ausgelassenen Gesellschaft schwebt, fühlt man sich wie zu Jürgen Flimms Zeiten (Jüngere wohl eher wie bei Batman). Überhaupt fehlt es der Inszenierung nicht an Körpereinsatz. Gleich zur Ouvertüre wird das Publikum mit einer flotten Tanzperformance in Stimmung gebracht. Überhaupt illustriert Wenzel so ziemlich jede zweite Note mit Tanzeinlagen (Choreografie Andrea Mortelliti). Das ist trotz der fabelhaften Tänzer der Ballett Company des Trierer Theaters ermüdend. Zudem wird die fein komponierte Musik dabei stellenweise regelrecht ver-tanzt. Überhaupt ist die Überfülle, bei der die Personenführung schnell mal außer Kontrolle gerät, eines der Probleme der Inszenierung. Inhaltlich geht Wenzels Fassung zudem schnell die Luft aus. Die Satire in eigener Theatersache erschöpft sich in abgestandenen Beamtenwitzen. Ansonsten beschränkt sich der gesellschaftskritische Witz auf ein paar Schenkelklopfer, kalauernden Klischees und Anzüglichkeiten. Auch szenisch ist von der ursprünglichen Eleganz der „Fledermaus“ wenig zu spüren. Kein Wunder: beim Trierer Orlofsky wird statt Champagner eher Wodka getrunken, für den ein Don Kosake mit Pelzmütze namens Ivan (Roman Lalcic) zuständig ist. Rosalindes Gesangslehrer und Hausfreund Alfred, den Derek Rue allzu hart singt, wirkt wie aus der Export-Version des Komödienstadls. Die scheint das Kostümbild auch bei der Ausstaffierung von Giovanni Rupp als Advokat Dr. Blind vor Augen gehabt zu haben. André Baleiro kann als Eisenstein zwar wie sein Freund Falke ( Wolf Latzel) wunderbar singen, ist aber hier als absoluter Volltrottel angelegt. Rein gar nichts fürstlich Mondänes hat Janja Vuletic trotz glitzerndem Quiz-Master Jackett als Prinz Orlofsky. Da wirkt Karsten Schröter als Gefängnisdirektor im Frack weltmännischer. Stimmlich auf der Höhe aber bieder gezeichnet ist Yibao Chen als Rosalinde. Kokett und selbstbewusst, allerdings mit ein paar stimmlichen Ausreißern nach oben, kommt Einat Aronstein als Zofe Adele daher. Silja Schindler muss als ihre Schwester Olga regelmäßig die Fremdwörter verdrehen. Wirklich mühsam wird es beim Overacting von Michael Hiller als betrunkener Gerichtsdiener Frosch. Angesichts des frivolen Treibens scheinen den Regisseur dann doch Gewissensbisse zu überkommen und er besinnt sich auf die Sprechbühne als moralische Anstalt. In bedrohlich düsterem Licht liegt die Bühne, wenn sich anfangs das Knäuel der theatralen Partyleichen auflöst. Wäre als Warnung nicht nötig gewesen. Schließlich wissen wir längst, dass die Sünde wie ein guter Espresso zwar süß und heiß ist, aber auch rabenschwarz. Und auch das finale Bekenntnis des Slibowitz liebenden Gefängnisdieners zur Demokratie, wirkt unendlich aufgesetzt. Spielerisch und gesanglich hochengagiert präsentieren sich einmal mehr die Mitglieder des Opernchors und des Jugendchors des Theaters (Leitung Martin Folz). Mit energischem Zugriff dirigiert Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach das Philharmonische Orchester der Stadt Trier, das ebenso flott bei der Sache ist. „Einen Jux will er sich machen“ heißt eine berühmte Nestroy-Posse. Und mehr als ein opulent ausgestatteter, flott vertanzter aber etwas zu lang geratener und recht handfester Jux ist die Inszenierung dann auch nicht.
Eva-Maria Reuther